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Urlauber klagen über Mückenplage auf Rügen und Usedom

Usedom / Lesedauer: 4 min

Auf den Urlaubsinseln an der Ostsee häufen sich die Beschwerden über Stechmücken. Ist das wirklich schon eine Mückenplage, wie einige behaupten? Und woran könnte das liegen?
Veröffentlicht:21.07.2021, 17:51

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Der Ausflug an den Ostsee-Strand endet mit Dutzenden Mückenstichen. Urlauber auf den Inseln Rügen und Usedom berichten seit einigen Tagen von einer angeblichen Mückenplage. In den sozialen Netzwerken machen sie sich Luft. „Wir werden seit Montagabend hier in Ahlbeck von den Viechern gefressen“, schreibt ein Mann. Seine Beine seien übersät mit Mückenstichen, wie er mit einem Foto auf Facebook belegt.

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Auch Rügen sei betroffen

Der Urlauber gibt sich leicht überrascht, denn: „Eigentlich bin ich immer der letzte in deren Nahrungskette. Bevor ich gestochen werde, sind alle anderen ein Streuselkuchen.” Diesmal habe es aber auch ihn heftig erwischt. „Ein Kumpel ist gerade auf Rügen und sieht auch so am ganzen Körper aus”, antwortet ihm eine Frau.” „Ahlbeck ist gefühlt am schlimmsten betroffen. Überall im Ort. Das habe ich auch noch nicht so extrem erlebt. Weiter nördlich auf Usedom ist es nicht so schlimm”, beschreibt ein Tourist. An anderer Stelle heißt es wiederum, dass einzelne ihren Urlaub sogar abgebrochen hätten. Doch was ist an all dem wirklich dran?

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Mücken-Plage – was sagt die Wissenschaft?

Dr. Doreen Werner, Biologin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) im brandenburgischen Müncheberg ist qua Beruf Mücken-Fan. Und sie kann da beruhigen. „Wir haben keine Mückenplage”, versichert sie. Wobei – eine saubere Definition dafür gebe es gar nicht, räumt sie ein. Wissenschaftler orientierten sich aber an 20 Stichen pro Minute, dann rede man von einer Plage. Darum könnte man auch jetzt eher nicht davon reden. „Das Gefühl, im Freien von besonders vielen Plagegeistern umschwärmt zu werden, liegt eher an der Erinnerung an die beiden trockenen und warmen Vorjahre. 2019 und 2020 gab es wegen der Trockenheit sehr wenig Mücken”, sagt Doreen Werner. Die vergangenen Monate waren für die Vermehrung der Blutsauger dagegen günstiger.

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Die Regentage im April und Mai diesen Jahres hätten die Insekten im wahrsten Sinne beflügelt. „Im Grunde haben wir jetzt wieder ein ganz normales Mückenjahr”, sagt die Expertin. Ausgenommen seien die Regionen, die von Hochwasser geplagt sind. Dort würden sich rasch die sogenannten Überflutungsmücken vermehren. Diese seien nach den starken Regenfällen vor einigen Tagen derzeit auch auf Usedom aktiv.

Auch Mücken sind wichtig für die Umwelt

Zudem sei das Empfinden Mücken gegenüber sehr subjektiv. Während der Eine schon bei zweien klagt, könnte ein Anderer mehr hinnehmen. „Ich will das Ganze nicht kleinreden. Aber wir sollten Tiere, die uns nicht gefallen, nicht gleich verdammen. Ohne Mücken etwa würde das ganze Nahrungsnetz zusammenbrechen. Viele Tiere brauchen die kleinen Flieger”, appelliert Doreen Werner.

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Erlegte Exemplare können Wissenschaftler erfreuen

Die Wissenschaftlerin hat sich auf die Erforschung der rund 50 bekannten Stechmückenarten in Deutschland spezialisiert. Werner und ihr Team haben für ihre Forschung vor rund zehn Jahren den „Mückenatlas” ins Leben gerufen. Gut erhaltene erlegte Exemplare können dafür zur Bestimmung eingeschickt werden (www.mueckenatlas.com). Am Forschungszentrum in Müncheberg entstehen daraus Karten, welche Arten in welchen Regionen Deutschlands verbreitet sind. Bisher gab es rund 58000 Einsendungen. „Wir freuen uns aus viele weitere Exemplare”, sagt Doreen Werner.

Bei Apotheken-Notdienst fast nur Anti-Mücken-Mittel verkauft

„Man sollte nicht aus allem eine Plage machen. Mücken haben wir jedes Jahr – mal mehr und mal weniger. Und diesmal sind es eben wieder mehr. Ganz klar. Das kann man nicht leugnen," sagte die Mitarbeiterin einer Apotheken in den Usedomer Kaiserbädern. Zu spüren seien die Tierchen nicht nur am Strand und auf der Insel, sondern auch im Apotheken-Alltag, da die Leute stark nach Produkten gegen das Jucken oder zur Prävention fragten. Beratung sei gewünscht, aber oft, wenn es quasi schon zu spät ist und die Stiche aufgekratzt seien.

„Bei meinem jüngsten Notdienst am vergangenen Sonntag habe ich mehr Anti-Mückenmittel ausgereicht als alles andere”, berichtet sie. Dennoch: Dass die Mücken nicht nur nerven, sondern auch massenhaft zustechen, das sei verständlicherweise unangenehm. Doch es sei nun mal Natur. Der Mensch müsse lernen, sich dessen bewusst zu sein und nicht immer gleich von Plage und Elend zu reden.

Stechen selbst durch feste Jeans

Die Blutgruppe, das Alter und Geschlecht der Opfer sind laut Wissenschaft bei der Auswahl der unfreiwilligen „Blutspender” für Mücken übrigens absolut bedeutungslos. Duftstoffe wie etwa in Cremes und Parfüm hingegen locken die Mückenweibchen geradezu an. Auch der Geruch des CO2-haltigen Atems ist demnach für die stechenden Mückenweibchen attraktiv. Außerdem sind es bestimmte Zerfallsprodukte von Schweiß, auf die Mücken besonders attraktiv wirken.